
Album-Tipp | 25.03.2023 - Herbert Grönemeyer: Das ist los
„Wann ist ein Mann ein Mann?“ sinnierte Herbert Grönemeyer vor 39 Jahren, „Was soll das?“ vor 35. In beiden Fällen ließ er die Antwort offen. Nun stellt er sich die Frage „Was ist los?“, doch diesmal weicht er nicht aus! Das ist los.
Man ertappt sich bei dem Gedanken, dass dieser Mann tatsächlich die Worte findet, die uns helfen, Stimmungen zu verstehen und Befindlichkeiten auszuloten. Und dass er, dessen Alben seit 1984 in Deutschland ausnahmslos auf Platz 1 landen, ein Gespür zu haben scheint für die Themen im Land, zumal in einer komplexen und sich überfordert fühlenden Gesellschaft.
„Die Welt dreht sich im Schleudergang“ konstatiert der 66-jährige im tanzbaren Titelsong und schon prasseln die Schlagworte unserer Zeit auf uns ein: Schuldenbremse, Bankenkrise, Diversität, Windradpark, Taliban - und ja, ein Virus.
„Ich glaube, dass wir sehr isoliert waren in den letzten Jahren“, sagt Grönemeyer, „dass wir das Gefühl hatten, dass wir sehr auf uns allein gestellt sind.“ Sein Credo: Nur gemeinsam und mit Mut, Hoffnung und Lebensfreude können wir es schaffen. Der Ohrwurm „Angstfrei“ und „Deine Hand“ sind die dazu in Klang gegossenen Ermutigungen.
Doch auch persönlich macht Grönemeyer Inventur und lässt uns tief in sein Innerstes blicken: „Du bist in mir nie verklungen“ singt er in „Urverlust“ und hält mit Zeilen wie „Dein Bild ist eine nicht heilende Wunde“ die Erinnerung an seine 1998 verstorbene Frau Anna fest. Mit „Tau“ und „Behutsam“ fügt er seinem Balladen-Kosmos zwei weitere hinzu und man blickt beim Hören gedanklich bereits in ein Smartphone-Lichtermeer beim Waldbühnen-Konzert am 5. Juni.
Dass er unbeirrt Endungen vernuschelt und Silben dehnt – geschenkt! Sie sind liebenswerte Eigenheit wie unverwechselbares Markenzeichen. Wetten, dass sich auch dieses Album, diese Mischung aus zeitgemäßem Sound und postpandemischer Gesellschaftsreflexion, wieder an die Spitze der deutschen Charts setzen wird? Das ist los.