Oderberg heißt zwar Oderberg, liegt aber genau genommen gar nicht an der Oder. Nicht mehr. Mitte des 18. Jahrhunderts ließ der Alte Fritz für die Oder ein neues Flussbett zwischen Güstebiese und Hohenwutzen buddeln. Damit wurde der elegante Bogen, den die Oder einst über Wriezen, Bad Freienwalde und Oderberg schlug, zur Alten Oder degradiert – immerhin ein wichtiger Flusslauf zur Entwässerung des Oderbruchs. Die Alte Oder zwischen Hohensaaten und Oderberg ist heute Teil der Oder-Havel-Wasserstraße. Als Oder-Havel-Kanal führt sie weiter bis zur Havel bei Oranienburg. Oderberg ist ein guter Startpunkt für Fahrgastschifffahrten durch das benachbarte historische Schiffshebewerk Niederfinow. Mit dem Schiffsfahrstuhl wird ein 36 Meter hohes Gefälle innerhalb des Kanals überbrückt.

Oderberg ist 1231 gegründet worden und bekam acht Jahre später das Stadtrecht. Als besonderes Privileg hatte Oderberg vom Markgrafen im 15. Jahrhundert die sogenannte Niederlagsgerechtigkeit bekommen. Das heißt, alle Händler, die sonst an der Kleinstadt vorbeigeschippert wären, mussten ihre Waren hier zum Verkauf anbieten – eine Art von Wirtschaftsförderung.

Der Berghang, an den sich Oderberg schmiegt, war bis ins 18. Jahrhundert Weinanbaugebiet. Nach einer Frostnacht 1740 war es damit vorbei. Bier gebraut wurde allerdings fast immer. 1733 sogar an 20 Stellen. Neuerding versucht der Däne Mads Ahues mit seinem Haselbräu die Tradition aufrechtzuhalten.

Ein malerisches, freistehendes Fachwerkhaus im Oberkiez, also nördlich der Alten Oder, ist nicht nur das älteste von Oderberg. Es gilt als eines der ältesten nicht-kirchlichen Gebäude im Nordosten Brandenburgs. Das 1680 gebaute Handwerkerhaus, das einst einem Wassermüller gehörte, hat noch eine Schwarze Küche. Sein Dach ist mit einer besonderen Technik gedeckt worden: Biberschwänze mit Holzspließen. Für die perfekte Sanierung der Schwarzen Küche gab es 1997 den „Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege“.

In Oderberg gibt es die Sage vom Drak, einem Hausgeist, der in den Kellern lebt und Gutes tut, wenn er immer schön mit Grütze gefüttert wird. Den guten Geist der Stadt zu füttern ist so etwas wie das Leitmotiv des Vereins Kulturlinien, der mit Offenen Höfen und Kulturbrunches in den letzten Jahren viel Leben in die scheinbar abgehängte Stadt gebracht hat. In eine ähnliche Richtung arbeitet auch der Verein Perspektive Oderberg, der u.a. Märkte und Feste organisiert.

Als sich Anfang des 19. Jahrhunderts die dampfgetriebenen Webstühle in der Industrie durchsetzten, ging es den Garnwebern in Oderberg schlecht. Die Geschichte der Oderbergerin Justina Tubbe ist ein gut dokumentiertes Beispiel, wie eine etablierte Handwerkerfamilie damals ins Elend stürzte. Der wirtschaftliche Niedergang, der Tod des Mannes, eine Missernte, der Verlust von Haus und Hof. Völlig verarmt machte sich die 60jährige mit den meisten ihrer Nachkommen auf den Weg nach Amerika, wo noch heute viele Nachkommen in Texas leben. Eine ihrer Nachkommen, Gisela Laudi, hat Justinas Schicksal in einem Tatsachen-Roman beschrieben.

Die Nikolaikirche, die heute das Panorama der Stadt prägt, ist bereits die zweite in der Stadt. Die erste, aus dem Mittelalter, überlebte den 30jährigen Krieg und einen anschließenden Stadtbrand nur mit großen Schäden. 1852 stürzte das baufällige Gotteshaus ganz ein. Drei Jahre später war bereits der neogotische Nachfolgebau fertig. Am Neubau hatte der berühmte Baumeister Friedrich August Stüler mitgewirkt.

Als Stadt gilt Oderberg noch immer, auch wenn der Ort nur noch knapp über 2000 Einwohner zählt. Zeitweise lebten hier mehr als doppelt so viele Menschen. Dass die Stadt 2009 aus Geldnot ihr Rathaus verkaufen musste und vom weit entfernten Britz aus verwaltet wird, nagt immer noch am Selbstbewusstsein vieler Oderberger. Zumal das frühere Rathaus seither immer noch leer steht.

Oderberg war die Stadt der Sägewerke, allein 11 sollen es 1871 gewesen sein. Der Hunger der Gründerzeitmetrople Berlin nach Bauholz aus den Wäldern der Schorfheide war unersättlich. Der Oderberger See, eine Ausbeulung der Alten Oder, galt als eines der größten deutschen Holzlager.

Der riesige Elbrad-Dampfer „Riesa“ ist in den letzten Jahren zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden. Allerdings ist er weder fahrtüchtig, noch hat er jemals aus eigener Kraft das Oderberger Hafenbollwerk angelaufen. Vielmehr fuhr das Schiff seit 1897 auf der Elbe zwischen Dresden und Aussig, dem heutigen Usti. 1976 wurde es nach einem Kesselriss endgültig außer Dienst gestellt und zwei Jahre später als Museumsschiff nach Oderberg geholt. Der Dampfer ist das größte Außenobjekt des Oderberger Binnenschifffahrtsmuseums. Das widmet sich nicht nur der Schifffahrt, sondern auch der Werftgeschichte, der Flößerei und der Fischwirtschaft in der Region.